Stellungnahme der Stiftung Louisenlund zur Schülerparty am Donnerstag, den 23. Mai 2024 – Fakten und Hintergründe
Ausgangslage der Stiftung Louisenlund
Die Stiftung Louisenlund wurde 1949 unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg gegründet. Im damals formulierten Stiftungszweck, der mehr denn je seine Gültigkeit hat, ist die „Erziehung von jungen Menschen auf sittlich-geistiger Grundlage zu wahrheitsliebenden, weltoffenen, furchtlosen, in sich selbst ruhenden, Masseninstinkten nicht unterworfenen, der Gemeinschaft bewusst und freiwillig dienenden Menschen“ als Auftrag formuliert. Die Stiftung Louisenlund steht für Toleranz, Völkerverständigung, Weltoffenheit – und wendet sich gegen jede Form von Ausgrenzung, Rassismus oder Ausländerfeindlichkeit. Diese Werte sind unser fundamentaler Erziehungsauftrag für die Schülerinnen und Schüler, die in Louisenlund sind. Im Internat in Louisenlund sind aktuell ca. 320 Schülerinnen und Schüler – wobei rund 100 aus dem Abschlussjahrgang sich aktuell zu Hause auf die mündliche Abiturprüfung vorbereiten. Etwa 60 Schülerinnen und Schüler sind „internationale“ Schülerinnen und Schüler, deren Eltern in 15 verschiedenen Ländern leben. Mit dem International Baccalaureate bietet die Stiftung Louisenlund einen internationalen Bildungsgang komplett in englischer Sprache an.
Erziehung und Sozialisation in eine Gesellschaft ist ein aktiver Vorgang, der nicht von selbst passiert – und für jede Generation junger Menschen einen neuen Auftrag darstellt. Louisenlund steht heute für einen Dreiklang aus bestmöglicher akademischer Förderung, Persönlichkeits- und Charakterbildung und dem Leben in einer starken Gemeinschaft im Internat.
Diese Gemeinschaft gestalten wir in vielfältigen Gilden und Aktivitäten. Verpflichtend für alle Schülerinnen und Schüler ist, sich in einer Dienstgilde ehrenamtlich zu engagieren. Das ist beispielsweise in der Feuerwehr, dem THW, der Wasserrettung oder den First Respondern möglich.
Zu Gemeinschaft gehört auch, gemeinsam zu feiern. Einmal wöchentlich findet eine Schülerparty im Schülerhaus statt. Das ist ein Jugendtreff mit Theke, DJ-Bereich und Tanzfläche, Bänken und Tischen und einem Fernseher, um beispielsweise gemeinsam ein Fußballspiel anzuschauen. Die Partys beginnen ca. um 19 Uhr und enden um 22 Uhr. Bereits um 21:30 Uhr verlassen die 9.- und 10.Klässler die Party, um zum „Zentralpusten“ zu gehen. Es gibt strenge Alkoholregeln, die so überprüft werden. Die Partys sind nicht öffentlich.
Situation der Schülerhausparty am 23.5.24
Die Schülerhauspartys finden am Donnerstagabend statt, wenn darauf ein freies Wochenende folgt. Bei schönem Wetter waren am 23.5.24 um ca. 21:15 Uhr geschätzt 40 Schülerinnen und Schüler im Schülerhaus, an der Theke und auf der Tanzfläche. Das ist ein mäßiger Besuch, es wurde dennoch ausgelassen gefeiert und getanzt. Zu diesem Zeitpunkt waren drei unserer Internatspädagoginnen und -pädagogen ebenfalls im Schülerhaus, die die Jugendpartys begleiten – und ja auch die Aufsichtspflicht im Internat übernehmen.
Die Musikauswahl obliegt dem DJ-Team, die Schülerpartys selbst werden von Schülerinnen und Schüler mitgestaltet und organisiert. Das DJ-Team kennt den Musikgeschmack der Schülerschaft und legt entsprechend auf. Zum regelmäßigen Repertoire gehört das Lied "L' Amour Toujours" von Gigi D'Agostino. Das wurde – wie in den Wochen zuvor – auch am Donnerstag aufgelegt. Eine unserer Internatspädagoginnen hatte den aktuell in den Medien intensiv dargestellten Vorfall dazu verfolgt und war entsprechend aufmerksam. Sie glaubte aus der allgemeinen Lautstärke ein „Ausländer raus“ gehört zu haben. Da die Pädagogin an der Theke direkt neben dem Hauptschalter der Lautsprecheranlage stand, hat sie reflexartig sofort die Anlage abgestellt, ging auf die Tanzfläche und hat die Schülerschaft deutlichst auf ihr offensichtliches Fehlverhalten hingewiesen. Sie hat die Party beendet und die Schülerinnen und Schüler zum Nachdenken ins Bett geschickt. Mit einigen Schülerinnen und Schülern gab es direkt noch ein Gespräch. Sie waren völlig überrascht von der Heftigkeit der Reaktion. Sie wären doch nicht fremdenfeindlich, sie hätten das Video nachahmen wollen. Viele Schüler kamen danach auf die Pädagogin zu und sagten, sie hätten wegen der Lautstärke der Musik die Gesänge gar nicht wahrgenommen. Einige dachten, es wäre bereits 21:30 wo regelmäßig „10er raus“ skandiert wird, weil die Schülerinnen und Schüler des 10. Jahrgangs dann die Party verlassen und zum Alkoholtest müssen. Die beiden anderen Kolleginnen bestätigten, dass noch bevor irgendjemand agieren konnte der Strom bereits abgestellt worden war. Noch am Abend wurde per Email das Kollegium in Louisenlund über den Vorfall informiert, weil es immer auch darum geht, das Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern zu suchen und sie auch in solchen schwierigen Situationen nicht alleine zu lassen.
Reaktion der Schülerschaft
Bedingt durch das freie Wochenende hat es dann heute am Montag, den 27. Mai 2024 viele Gespräche mit Schülerinnen und Schülern gegeben, die zur Aufklärung der oben beschriebenen Situation mit beigetragen haben. Es geht um 8 junge Menschen, die sich diesem Gesang – in einer wenige Sekunden dauernden Sequenz – angeschlossen hatten – bevor eben instantan der Strom abgestellt wurde. Die Schülerschaft insgesamt ist völlig erschüttert, wütend und deprimiert, dass es in Louisenlund eine solche Szene gegeben hat und dass Mitschüler es „cool“ finden, andere Vorfälle und Videos in dieser Form im Schülerhaus nachzuahmen. Die Schülerschaft findet auch die ersten Artikel, die nun erschienen sind als ziemlich unfair. Diese Artikel beschreiben nicht die Schülerschaft in Louisenlund. Die Schülerschaft und die Schule insgesamt lehnen jegliche Form von Fremdenfeindlichkeit oder Ausländerhass strikt ab. Ich habe mit den minderjährigen Schülerinnen und Schülern gesprochen, die beim Schülerhaus dabei gewesen sind. Sie weisen alle klar von sich, dass sie irgendwie fremdenfeindlich sein wollten oder es in irgendeiner Form um den eigentlichen Inhalt der Parolen gegangen sei. Alle haben Freunde, die in diesem Sinne als „Ausländer“ gelten. Es sei ihnen in einem Anflug großer „Dummheit“ um das Nachahmen der Szenen aus dem bekannten Video gegangen. Die mögliche Tragweite und Folgen eines solchen Imitats sei ihnen überhaupt nicht bewusst gewesen. Sie bereuen dieses Fehlverhalten sehr und sind bereit, jegliche Sanktionen der Schule als Strafen anzunehmen.
Reaktion der Schule
Die Schulleitung hat fortlaufend die Elternschaft, die Schülerinnen und Schüler und die Mitarbeitenden der Stiftung Louisenlund über die nächsten Schritte informiert. Die Schulaufsicht des Ministeriums ist informiert. Die Schule hat heute ein Maßnahmenpaket beschlossen, das folgende Elemente enthält:
- Die Stiftung Louisenlund stellt hiermit klar, dass die besondere Situation der Stiftungsgründung nach dem Krieg – Louisenlund will dazu beitragen, dass sich Entwicklungen wie im Dritten Reich niemals wiederholen – und der gelebte Auftrag der Stiftung Louisenlund bedeutet, jeglicher Form von Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus deutlich und aktiv entgegenzutreten. Das leben wir unseren Schülerinnen und Schülern vor und deshalb hat die Internatspädagogin die Party sofort beendet und im besten Wortsinn für die Stiftung Louisenlund und alle ihre Werte vorbildlich gehandelt. Wir vermitteln Zivilcourage, Mut und Offenheit – und leben sie vor.
- Die Stiftung Louisenlund wird ihr Konzept zur politischen Bildung und der Demokratieerziehung in Louisenlund weiterentwickeln und deutlich ausbauen. Erste Projekte werden noch vor den Sommerferien umgesetzt. Wir wollen der gesamten Schulgemeinschaft noch mehr die wertvolle Gelegenheit geben, sich aktiv mit aktuellen politischen Themen auseinanderzusetzen, unterschiedliche Meinungen anzuhören und daraus eigene Haltungen zu entwickeln. Der politisch kontroverse Diskurs ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie. Er trägt zur Bildung kritischen Denkens und zum Verständnis unterschiedlicher Motive und Perspektiven bei. Dazu zählt auch die noch intensivere Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte.
- Gerade in schwierigen Zeiten, in der Demokratie und Freiheit herausgefordert sind, will und wird die Stiftung Louisenlund ihrem Satzungsauftrag noch besser gerecht werden. Louisenlund ist ein für alle Schülerinnen und Schüler sicherer Ort, an dem angstfrei kontrovers diskutiert werden darf und soll, unterschiedliche und kontrovers zu diskutierende Meinungen willkommen sind und wir ermöglichen, gesellschaftlich bedeutsame Fragen zu stellen und zu diskutieren. Die kommende Generation wird für sich selbst Antworten finden müssen in welcher Gesellschaft wollen wir leben, wie wollen wir miteinander umgehen, wie verteidigen wir unsere Grundwerte wie Demokratie und Freiheit. Diese Antworten findet man auch in der Auseinandersetzung mit andersdenkenden – und vielleicht gerade in der Auseinandersetzung mit Menschen, deren Ansichten kontrovers bewertet werden – und diese Auseinandersetzung werden wir suchen und ermöglichen. Wir begleiten unsere Schülerinnen und Schüler dabei und geben Orientierung.
- Die aktiv handelnden Schülerinnen und Schüler, erhalten für den Zeitraum einer Woche eine Suspendierung vom Schul- und Internatsbetrieb. In dieser Woche werden sie sich ehrenamtlich für eine sozial tätige Organisation engagieren und ihr Verhalten im Sinne des unreflektierten Nachahmens von offensichtlich abzulehnenden Aktivitäten reflektieren. Der vorübergehende Ausschluss ist eine weitgehende pädagogische Ordnungsmaßnahme des Internates, mit dem Ziel einer Veränderung des künftigen Verhaltens – und zwar getragen von der eigenen Einsicht des eigenen Fehlverhaltens. Die pädagogische Aufarbeitung des Verhaltens liegt in meiner persönlichen Verantwortung als Schulleiter der Stiftung Louisenlund.
- Die Schule, die Lehrkräfte und die Internatspädagoginnen und -pädagogen werden alle Schülerinnen und Schüler intensiv bei der Aufarbeitung begleiten. In den Hausgemeinschaften des Internates wird der Vorfall gemeinsam reflektiert. Nächste Woche findet keine Party statt. Wir werden gemeinsam den Film „Die Welle“ anschauen und entsprechend bearbeiten.
- Das Lied "L' Amour Toujours" von Gigi D'Agostino wird aus der Playlist des Schülerhauses gestrichen.
Abschließend
Mein Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen, die sofort klar und im Sinne unserer Werte und Erziehungsgrundsätze gehandelt haben und all denen, die jetzt pädagogisch gefordert sind und mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam arbeiten. Mein Dank gilt auch der Schülerschaft, die sich vorbildhaft verhalten hat und für die klar formulierten Haltungen – vor allem des Schülerhaus-Teams. Mein Dank gilt auch der Elternschaft, die den erzieherischen Kurs der Schule sehr unterstützt und mit ihren Kindern auch zu Hause ins Gespräch geht.
Dr. Peter Rösner – Leiter Stiftung Louisenlund